Corona-Logbuch

Wir sind ein Team – besonders jetzt

Ein Text von Redaktion

8. Juni 2020

Darf man einer Pandemie auch etwas Gutes abgewinnen? Manche finden diesen Ansatz zynisch. Die Corona-Krise, an der Tausende gesundheitlich leiden, teilweise sogar sterben und die mit all ihren Auswirkungen noch viel mehr Menschen vor große Probleme stellt, ist erst einmal eine Katastrophe. Aber die Veränderungen, die wir gerade erleben, eröffnen auch neue Perspektiven. So ist es in vielen Berufen. Das Arbeiten hat sich durch das Coronavirus verändert, zumindest für die Menschen, die wie ich normalerweise aus einem Büro heraus an einem Computer arbeiten.

Homeoffice ist jetzt angesagt. Das gefällt den einen besser, den anderen schlechter, irgendwie aber müssen sich alle damit einrichten. Von jetzt auf gleich mussten viele Berufstätige ihre Arbeit an eine gesundheitliche, wirtschaftliche, berufliche und private Ausnahmesituation anpassen. Das hat nicht nur die Art zu arbeiten verändert. Es wirkt sich auch die Art, miteinander zu arbeiten, aus. Und zwar durchaus positiv – das ist jedenfalls die Erfahrung, die ich an meinem Arbeitsplatz mache. Ein paar Beispiele.

Teamgeist: Die einen (wie ich) lieben das Homeoffice. Der Weg vom Bett zum Büro ist auf wenige Meter zusammengeschrumpft und naja, manchmal ist das Bett auch das Büro. Sie können sich gut konzentrieren, die Zeit einteilen und schaffen mehr als sonst im Großraumbüro. Anderen liegt diese Art des Arbeitens nicht so, einige sind sogar damit überfordert, sich gleichzeitig noch um ihre Kinder kümmern zu müssen. Das ist okay. Diejenigen, die gerade mehr leisten können, fangen das auf.

Wertschätzung: Positives Feedback war bei uns zum Glück schon immer Teil der Arbeitskultur. Aber so viel wie in den vergangenen Wochen haben unsere Chefs wohl noch nie gelobt. Am Ende jeder Woche bedankt sich mein Teamleiter ausdrücklich für unsere Arbeit, obwohl wir doch eigentlich nur unseren Job machen – aber eben unter anderen Voraussetzungen als sonst.

Authentizität: Der persönliche Austausch mit den Kollegen hat natürlich massiv abgenommen. Dafür entsteht aber eine andere Art der Nähe: Man erlebt sich gegenseitig in seinem privaten Umfeld. Die ganze Belegschaft kennt jetzt die Bilder, die bei der Chefin an der Wand hängen. Ich weiß, wer eine schwache Internetverbindung hat. Alle sehen, wie ein Kollege quasi im Kleiderschrank sitzt, weil sonst kein Platz in der Wohnung ist. Und neulich kamen sogar mitten in einem Vortrag der Vorstandsvorsitzenden die Kinder rein – war ihr womöglich etwas peinlich, für den Rest ganz sympathisch.

Interesse aneinander: Die „Wie geht’s“-Frage ist am Arbeitsplatz normalerweise eine bedeutungslose Floskel. In diesen Wochen wird sie trotzdem immer wieder gestellt – und es kommt mir vor, als sei sie ernstgemeint. Ob Vorgesetzte oder Kollegen, man hat das Gefühl, ein wenig aufeinander aufpassen zu müssen. Manchmal sogar mehr, als es manchen lieb zu sein scheint. Meistens präsentiert jeder im Büro die Power-Point-Version von sich selbst: kontrolliert und sorgsam vorbereitet. In der aktuellen Situation scheint man auch dort einen anderen Umgang miteinander zu entdecken.

Teamgeist, Wertschätzung, Authentizität und ehrliches Interesse für den anderen – das sind Werte, die am Arbeitsplatz meistens keine Selbstverständlichkeit sind (und ich weiß, dass sich das leider auch in der Corona-Krise nicht überall ändert). Und trotzdem wünscht sie sich wohl jeder. Als Christ tue ich das umso mehr, weil ich glaube, dass Gott sich unser Zusammenleben und -arbeiten so vorstellt. Und ich frage mich, warum es erst eine Pandemie gebraucht hat, damit wir das in dieser Form entdecken. Warum habe ich, warum haben wir alle nicht schon vorher dazu beigetragen, ein solches Arbeitsklima zu schaffen? Jeder weiß aber auch, wie fragil solche Entwicklungen sind. Es wird wieder die Zeit kommen, wo Vorgaben erreicht werden müssen, wo die reinen Zahlen zählen und persönliche Befindlichkeiten nicht mehr ernstgenommen werden. Vielleicht ist sie schon da. Dann können wir daran erinnern und dazu beitragen, dass Gottes Sicht auf uns Teil unseres beruflichen Alltags wird: als Kollegen, die ehrlich, rücksichtsvoll und wertschätzend miteinander auf ein Ziel hinarbeiten.

Die Person ist der Redaktion bekannt.
Titelfoto: Unsplash (Nicole Baster)

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