New Work

Der Schreibtisch ist tot!

Ein Text von Anke Steinbach

23. Januar 2020

Welche Trends beschäftigen Architekten, Designer und Stadtplaner? Wie sehen die Büros der Zukunft aus? „Grab your chair!“ wurden die Gäste im Vitra Showroom am 22. Januar gebeten. Der Titel des Abends provokativ: „The desk is dead!“ In den ersten zehn Minuten der Podiumsdiskussion wurde sogar dem Büro selbst der Tod vorausgesagt. Doch der Reihe nach.

Die Aussage der Londoner Designer Edward Barber & Jay Osgerby war der Ausgangspunkt der Diskussion: „The rules of formal work seem to be breaking down – no matter where or how you work. The desk has had its day. The workstation is going the same way as the dining room – it’s disappearing as an archetype.”

Jay beobachtete, dass die neue “freelance economy” in Großstädten wie London neue Bedürfnisse hervorbringt: Die Scharen einsamer Freelancer, die in öffentlichen Räumen arbeiten, suchen dort auch nach Orten der Kommunikation und Kollaboration. Er sieht seine Aufgabe als Designer darin, Produkte zu entwickeln, die gesellschaftliche Bedürfnisse nach mehr Flexibilität und Gemeinschaft erfüllen. Ein bequemes Arbeitssofa mit integrierten Steckdosen und kleinen beweglichen Tischen, die nun in so manchen Hotels zu finden sind, zum Beispiel.

Die Hamburger Architektin und Städteplanerin Julia Erdmann geht noch einen Schritt weiter – sie macht die Stadt selbst zu ihrem Büro. Denn durch die Digitalisierung ist es möglich, überall in der Stadt zu arbeiten, mal in einem Café, mal beim Kunden, mal im öffentlichen Raum. Konsequenterweise sagte sie daher auch: “The desk is dead, the office is dead!” Und plädierte für eine radikale Neuausrichtung unserer Innenstädte – weg von Büroburgen, die abends tot sind, hin zu Gebäuden, die flexibler nutzbar sind. Ihre Motivation: „Wir brauchen mehr Räume und Orte, die lebensnah und voller Leben sind, an denen die Menschen sich nicht nur befinden, sondern Wohlbefinden.“ Das klingt wunderbar!

Schreibtisch hin oder her – Die wachsende Flexibilität in den kreativen Bürojobs hat auch eine andere Seite, wie die Diskussion weiter zeigte. Denn gleichzeitig herrscht an vielen Stellen noch starkes Hierarchiedenken vor, das sich oft auch in der Büroausstattung zeigt. Und nicht zuletzt sind wir häufig selbst in der Spannung, die geographische Flexibilität nicht einzutauschen gegen die “unsichtbare Fessel” der ständigen Verfügbar- und Erreichbarkeit.

Da ist es doch vielleicht genau richtig, mitten in der Stadt zu sein statt im Büroturm oder in der Hotellobby. Einfach mal innehalten, das Mobiltelefon lautlos stellen, spazieren gehen, auf den Hafen schauen und die Gedanken fliegen lassen. Wer sagt eigentlich, dass das nicht geht?

(Foto: privat)

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