Wertschätzung

Der perfekte Chef

Ein Text von Redaktion

21. Oktober 2019

Ich liebe meinen Job – vor allem, weil mir mein Chef, nennen wir ihn mal Herrn Meier, viel Freiheit und Vertrauen gewährt. Das motiviert mich und ich tue gern meinen Teil dafür, damit unser Projekt erfolgreich läuft. Herr Meier hat das Herz am rechten Fleck und das macht schon sehr viel aus, finde ich.

Ich habe drei Jahre für einen Vorgesetzten gearbeitet, der sehr schwierig war, nennen wir ihn mal Herrn Knapp. Mit dem einhergehenden Angstklima schwanden mein Selbstvertrauen und meine Motivation.

Herr Meier wiederum ist freundlich, behandelt mich auf Augenhöhe und wir können auch mal über Privates reden. Das ist super. Ist mein Chef perfekt? Nein, weit gefehlt. So gar nicht. Seinen Job ausfüllen, so wie ich das erwarten würde – das tut Herr Meier nicht.

Ich hatte schon früher mal für Herrn Meier gearbeitet. Da fielen mir seine Ecken und Kanten stark auf und gingen mir richtig auf die Nerven. Ich hatte echt hohe Ansprüche und dachte: Wenn er so weit nach oben gekommen ist, wie kann er da so verpeilt sein? Wichtige Deadlines nicht im Blick haben und unvorbereitet in Präsentationen gehen stand auf der Tagesordnung. Ich hatte nicht vor, noch mal für Herrn Meier zu arbeiten.

Aber in der Zwischenzeit habe ich eine wichtige Lektion gelernt. Eigentlich hatten diese Gedanken gar nichts mit meiner Arbeit zu tun. Ich dachte viel über die Beziehung zu meiner Mutter nach und warum ich damit so unzufrieden war. Irgendwann ging mir auf, dass ich doch schon eine perfekte Mutter habe – aber nicht hier auf Erden, sondern im Himmel: Gott ist meine perfekte Mutter! Und dann kapierte ich irgendwann, dass Gott auch mein perfekter Chef ist. Ich brauche gar keine perfekten Vorgesetzten hier auf der Erde!

Klar, ich kann meinem Chef mal Feedback zur verbesserten Zusammenarbeit geben. Aber das funktioniert nicht immer. So wie in den drei schwierigen Jahren mit Herrn Knapp. Da habe ich mich regelmäßig beim obersten Chef, also bei Gott, beschwert. Das hat mir geholfen, ruhig zu bleiben und zu vertrauen, dass er meine Wege leitet.

Und nun kann ich auch in der Zusammenarbeit mit Herrn Meier entspannt sein. Zum Beispiel sehe ich es heute als eine meiner Aufgaben, seine Schwächen so gut es geht aufzufangen. Und mein Blick weitet sich für seine Stärken! Letztens hatte ich wieder ein Aha-Erlebnis bei der Arbeit: Ich sah plötzlich die verschiedenen Strategien, mit denen Herr Meier es schafft, unseren Projektpartnern individuell das Gefühl zu geben, dass sie wichtig sind. Besonders in unseren größeren, internationalen Projekten ist das oft entscheidend.

Jetzt bin ich mittendrin und kann mal schön fürs Leben lernen, wie man schwierige Situationen angeht: indem ich meinem Chef zuschaue und von ihm lerne! Schade, dass ich erst jetzt darauf komme. Bin gespannt, wo es bei mir als nächstes dämmert.

(Foto: Unsplash / Brooke Lark)
Um „die Herren Meier und Knapp“ zu schützen, veröffentlichen wir den Beitrag anonym.

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