Foto: Unsplash (Anika Huizinga)
Wertschätzung

Wie ungleich unsere Arbeitsbedingungen sind

Ein Text von Anke

25. Juni 2020

„Sind Sie inzwischen wieder zurück im Büro? Sind Sie froh, dort zu sein? Oder ist es zu Hause doch am schönsten? Wer sich diese Fragen stellt, der hat es gut. Das Coronavirus hat vieles sichtbar gemacht. Auch, wie ungleich unsere Arbeitsbedingungen sind.“ Das schreibt Oskar Piegsa heute in der „Elbvertiefung“, dem werktäglichen Hamburger Newsletter der ZEIT. Und er beschreibt weiter:

„Am eindringlichsten war für mich in den frühen Tagen der Pandemie – neben den Schilderungen aus den Krankenhäusern – das Bild, das sich bot, als ich zum ersten Mal wieder einkaufen war. Im Supermarkt meines Vertrauens saßen die Kassiererinnen und Kassierer nicht hinter dicken Plexiglasscheiben, sondern hinter notdürftig improvisierten Schutzvorrichtungen aus Holzlatten und mehrlagig drum herumgewickelter Frischhaltefolie. Sie verrichteten ihre Arbeit mit stoischer Gelassenheit. Nudeln scannen, Gemüse wiegen, Kleingeld zählen. »Kassenbeleg?« – »Äh, nee, lieber nicht. Sie wissen schon, die Schmierinfektion.«

Und jetzt, wo das Virus schon fast überwunden schien (trügerisch, ich weiß): die Explosion der Infektionszahlen in den Fleischfabriken. Und all die Selbstständigen und anderen, die um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten. Und die Seeleute, die schon seit Wochen und Monaten ihre Schiffe nicht verlassen können (Anmerkung: Es sind weltweit etwa 200.000 Seeleute).

Peinlich, dass ich zu denen gehörte, die neulich noch lustvoll und lautstark über die Zumutungen der Angestellten-Existenz klagten. Sie wissen schon: Seelen sterben zwischen Raufasertapeten und Pressspanplatten, ertränkt im lauwarmen Kantinenkaffee, so was. Während ich diese Zeilen tippe, weiß ich, dass so zu arbeiten ein Privileg ist.“ (Quelle: „Elbvertiefung“ vom 25. Juni 2020)

Es ist gut, dass diese verrückten Corona-Tage uns auch solche neuen Sichten ermöglichen. Andere mehr wahrzunehmen. Nachzudenken, wer wie an unserem Wohlstand mitwirkt. Wertzuschätzen, was andere auf sich nehmen. Mitzufühlen, wo andere leiden. Einzuordnen, wie gut es uns geht. Und in der Dankbarkeit liegt, so glaube ich, ein kostbarer Schatz verborgen.

Foto: Unsplash (Anika Huizinga)

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