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Unterwegs auf der Alan Kurdi

Ein Text von Simon

28. Februar 2020

Simon ist 33, gelernter Schiffsmechaniker, war über viele Jahre als Techniker für Schiffe weltweit im Einsatz. Nun arbeitet er auf dem Seenotrettungsschiff Alan Kurdi. Bei einem Heimatbesuch in Hamburg wollten wir mehr über seine Erfahrungen und Motivationen wissen.

Simon, was holst du jetzt nach, wo du an Land und auf Urlaub zurück in Hamburg bist?

Zunächst mal ausschlafen. Dann Freunde und Familie treffen. Neulich spielte eine meiner Lieblingsbands hier ein Konzert. Bei einem St. Pauli Spiel war ich. Und ich hoffe noch auf gutes Wetter zum Kiten an der Nordsee.

Erzähl´ mal von deinem beruflichen Werdegang.

Ich bin in Sachsen aufgewachsen. Seit ich 16 bin, arbeite ich auf Schiffen. Ich bin mehrere Jahre zur See gefahren und war so ziemlich überall auf der Welt als Servicetechniker für Schiffe unterwegs. Seit 2012 bin ich in Hamburg. 2018 machte ich einen 3-wöchigen Einsatz während meines Urlaubs auf der Sea Watch – bei dem wir die gesamte Zeit nicht auslaufen durften. Als ich Ende letzten Jahres das Angebot bekam, als Maschinist/Leiter der Maschinenanlagen auf die Alan Kurdi zu gehen, habe ich meinen Job in Hamburg gekündigt und bin los.

Was machst du konkret auf der Alan Kurdi?

Ich bin für alle technischen Systeme verantwortlich. Von der Hauptmaschine (unserem Motor) bis hin zur Toilettenspülung. Hierbei muss ich alle Systeme kontinuierlich prüfen bzw. verschiedene Routine-Arbeiten durchführen (Ölstände, Drücke, Temperaturen, Filter reinigen, Lager abschmieren etc.). Außerdem muss ich im Blick haben welche größeren Arbeiten anstehen, und diese dann vorbereiten sowie im Hafen durchführen.

Wie lange seid ihr unterwegs?

Eine Mission geht ca. 3-4 Wochen. Weil zum einen das Schiff nicht viel länger operieren kann ohne zwischendurch einen Hafen anzulaufen. Zum anderen weil Teile der Crew diese Einsätze in ihrem Urlaub machen und von daher in ihrem zeitlichen Rahmen limitiert sind.

Du warst schon auf unzähligen Schiffen unterwegs. Was ist jetzt anders?

So einiges! Ganz klar: zu allererst der Grund, wieso wir mit dem Schiff rausfahren. Damit verbunden ist natürlich auch die Einstellung der Leute an Bord eine ganz andere. Wir machen das (logisch) nicht zu Karrierezwecken oder um Geld zu verdienen, von daher ist die Stimmung bzw. der Zusammenhalt an Bord auch ein ganz anderer.
Auf der anderen Seite haben wir aber natürlich auch nicht die finanziellen Mittel wie eine Reederei. Von daher müssen wir oft ganz anders planen.  

Was war damals deine Motivation, deinen sicheren Job in Hamburg hinter dir zu lassen? Und haben sich deine Motivationen inzwischen verändert?

Mit dem was ich gelernt habe, kann ich ganz direkt diesem sinnlosen Sterben (lassen) etwas entgegensetzen. Das ist auch nach wie vor meine Motivation.

Was ist für dich herausfordernd an der Arbeit auf dem Schiff?

Die gesamte technische Verantwortung auf dem Schiff zu haben! Das fordert mich „bis zum Anschlag“. Aber dadurch lerne ich natürlich auch unglaublich viel. Von daher ist es zwar sehr anstrengend, aber auch eine positive Erfahrung.

Was war das Schönste oder Bewegendste, was du erlebt hast?

Also bewegende Momente gibt es viele. Schön sind davon eher wenige. Aber tatsächlich ist es immer ein sehr guter Moment, wenn wir eine Rettung beendet haben bzw. wenn wir die Geretteten an einen Aufnahmestaat übergeben können. Dann die Gewissheit zu haben, dass diese Menschen noch am Leben sind, ist sehr schön.

Du glaubst an Gott und bist trotz deiner Arbeit auf See weiter dem Hamburgprojekt zugehörig. Wie beeinflusst das deine Arbeit?

Schwierig das in 1-2 Sätzen zu beantworten. Um es kurz zu „umreißen“, bin ich mir sicher, dass diese Zeit und diese Arbeit mich prägen und verändern. Verändern hin mehr zu einem Leben wie Gott sich das vorgestellt hat. 

Du hast eine klare persönliche Haltung zu dem, was täglich auf dem Mittelmeer passiert. Was forderst du von der Politik? Was wünscht du dir von den Menschen in Hamburg?

Die Politik muss handeln und muss wieder eine staatlich organisierte Seenotrettungsmission starten! Es muss legale Einreisemöglichkeiten geben! Zudem müssen die Staaten ihren „Grenzschutz“ aufgeben, in dem sie Milizen (die nachweislich mit Schleppern zusammenarbeiten!) mit Waffen und mit Geld unterstützen.

Von den Menschen hier in Hamburg und in Deutschland würde ich mir wünschen, dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzen, sich an Demos beteiligen und uns Seenotrettungsorganisationen ggf. finanziell unterstützen.

Das Interview wurde im Oktober geführt. Simon ist aktuell wieder auf der Alan Kurdi unterwegs. Gestern (am 28. November 2019) rettete die Besatzung des Schiffs 84 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Mehr…

(Fotos: privat)

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