Berufung

Ein Blick hinter die Kulissen der ZEIT

Ein Text von Anke Steinbach

14. Februar 2020

Verben sind die Muskeln der Sätze. Adjektive sind bevormundend. Ein gutes Wort hat maximal drei Silben.
Im Turmzimmer des ZEIT-Hauses öffnet der Journalist Manuel Hartung an einem Mittwochnachmittag die Schatztruhe seines Wissens: Er leitet das Seminar „Wie schreibe ich einen guten Text?“

Ich bin bei einer neuen Fortbildungsreihe des ZEIT Verlags. Die Idee: Experten geben ihr Wissen in kurzen Einheiten weiter. „WE LOVE WORK“ heißt die Reihe. Sind englische Worte gut? Ich wollte „eigentlich“ schreiben – aber ich habe gelernt, dass solche Füllwörter schlecht sind. Es fühlt sich noch ungewohnt an.

Ein guter Text ist harte Arbeit, sagt Manuel. Autsch, gleich zwei Adjektive! Vielleicht muss ich doch nicht ganz auf sie verzichten. Autsch, zwei Füllwörter.

Wir analysieren „Der Fischer“, ein Gedicht von Goethe: Es strotzt vor Verben und kommt ganz ohne Adjektive aus. Als nächstes lesen wir die ersten Verse des Johannes-Evangeliums, „Am Anfang war das Wort …“: Kurze Worte, kurze Sätze, Wiederholungen können hilfreich sein.
Ich schreibe immer mehr Tipps auf: Hauptsachen in Hauptsätze. Ringt um den ersten Satz. Lest euch den Text vor. Vermeidet schwerfüßige Verben, bewerkstelligen ist so eins.

Zwei Stunden Lernen von einem Experten haben meine Sicht verändert: Kann ich je wieder ganz unbefangen einen Text schreiben oder lesen? Ich weiß es nicht.

Aber nicht nur die Tricks und Kniffe sind wertvoll, viele von ihnen übrigens auf Wolf Schneider zurückgehend, bei dem so mancher Journalist sein Handwerk gelernt hat. Ich bin auch begeistert von Manuel, der für seine Arbeit brennt. Er erzählt, dass er am Tag zuvor – wie an jedem Dienstag – bis kurz vor Mitternacht gearbeitet hat, weil die neue Ausgabe fertig werden musste. Stolz zeigt er uns die Zeitung, die morgen am Kiosk liegen wird. Und er berichtet ehrlich über mehrere Erlebnisse, durch die er sein Handwerk gelernt hat: Jeder Text wird kritisiert, oft hart und direkt. Auch heute noch. Damit er wirklich gut wird.

Auch der letzte Satz ist wichtig, heißt es – doch an dieser Stelle sind die zwei Stunden bei der ZEIT vorbei. Daher kommt mein letzter Satz leider nur von Herzen: Danke, Manuel – für die vielen Tipps, deine wertvolle tägliche Arbeit und die Ermutigung, um gute Texte zu ringen.

(Foto: ZEIT Verlag)

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