Generation Y: Zeit ist wichtiger als Geld
1. Juni 2019
„Gott hat Arbeit für uns geschaffen und nicht uns für die Arbeit.“
Die australische Palliativpflegerin Bronnie Ware hat über viele Jahre viele Patienten in den Tod begleitet. In einem Buch („The Top Five Regrets of the Dying“) hat sie die Dinge gesammelt, die Sterbende kurz vor ihrem Ableben bereuen. Ganz oben steht: „,Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.‘ Alle Männer, die ich gepflegt habe, haben das gesagt. Fast alle haben zu viel gearbeitet und zu wenig gelebt – weil sie Angst hatten, nicht genug Geld zu verdienen, oder ihrer Karriere wegen“, schreibt Bronnie Ware.
Immer besser, immer mehr, immer höher. So einfach scheint er zu funktionieren, der Dreisatz der Arbeitswelt. Jeder Erfolg ist nur eine Zwischenstufe, das Ziel wird danach gleich nach oben korrigiert, der Druck steigt. Wachsen, wachsen, wachsen – aber wofür eigentlich? Und wohin?
Immer mehr Menschen, die in den vergangenen Jahren in das Berufsleben eingestiegen sind, stellen sich diese Frage. Sie wollen wissen, welchen Wert ihre Arbeit eigentlich hat. Nicht in Zahlen, sondern eher in einem Gefühl, und nicht für ihren Arbeitgeber, sondern für sie selbst. Während Arbeit für die Generationen vor uns noch ein Statussymbol an sich war, der Knopf für den sozialen Fahrstuhl, sehen es viele mit Mitte, Ende 20 nicht ein, auf ihrer Arbeitsstelle Zeit, Kraft und eventuell auch Gesundheit zu investieren, um dafür – ja, was eigentlich zu bekommen? Einen Haufen Geld, für den dann die Zeit fehlt, um ihn auszugeben? Viel Anerkennung im Job, aber keine Familie und keine Freunde? Eine spektakuläre Stellenbezeichnung in der E-Mail-Signatur, aber keinen, der den Menschen dahinter kennt?
„Zeit ist das Statussymbol unserer Generation“
Für viele von uns macht das keinen Sinn mehr. Geld und Karriere sind gut und nett, aber anderes ist uns wichtiger. Zeit statt Geld, Erlebnisse statt Dinge. Wir haben verstanden, dass keine Zahl auf dem Konto so aufregend kann wie ein Abend mit den besten Freunden, ein günstiger, aber unvergesslicher Urlaub oder Ausschlafen an einem Montag.
Ich habe das Glück, in meinem Traumberuf zu arbeiten. Und ich habe das Glück, das flexibel und sehr selbstbestimmt tun zu können, nicht an eine 40-Stunden-Woche gebunden. Ich freue mich auf jeden Arbeitstag. Aber wahrscheinlich würde ich mich nicht mehr freuen, wenn ich jeden Tag zur Arbeit gehen müsste. Zeit ist das Statussymbol unserer Generation.
Ich glaube, Gott hat Arbeit für uns geschaffen und nicht uns für die Arbeit. Wir sind nicht auf der Welt für die Zahlen eines Konzerns, und unsere Zeit ist begrenzt. Dass man diese Zeit teilweise auch gegen Geld tauschen muss, ist Teil eines Systems, dass sich so einfach nicht aufbrechen lässt, und hat auch seine Berechtigung. Aber eigentlich gehört meine Zeit mir.
Und was fange ich jetzt damit an? Meine Zeit gehört meinen Freunden, meiner Familie, meinen Hobbys. Ich setze sie in allererster Linie für Dinge ein, die mir selbst Spaß machen.
Und wo bleibt Gott in diesen Gedanken? Als Christ merke ich, dass ich mich selten konkret damit beschäftige, wie er meinen Beruf, mein Arbeitsverständnis und meine Zeiteinteilung sieht. Darüber mehr nachzudenken, ist etwas, was ich mir für die Zukunft vornehme. Wahrscheinlich ist das mal wirklich sinnvoll eingesetzte Zeit.
(Foto: Pexels_Vladislav Reshetnyak)