Corona-Logbuch

Bei uns ist es trotz Corona wie immer

Ein Text von Redaktion

31. Juli 2020

In meinem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis weiß ich von keiner einzigen Person, bei der sich ihre Arbeit durch Corona nicht verändert hat. Sei es durch Arbeit von zu Hause aus, Einteilung in Früh- und Spätdienste, gar keine Arbeit, weniger Arbeit, viel mehr Arbeit – der Arbeitsalltag sah, und sieht nach wie vor, anders aus. Dabei ist vieles mittlerweile normal – Plexiglas oder Homeoffice, man hat sich eingerichtet.

Bei mir ist es anders. Die einzige Veränderung, die sich durch Corona ergeben hat, ist mein 10 km langer Arbeitsweg. Ich lege ihn nicht mehr teilweise mit der U-Bahn zurück, sondern komplett mit dem Rad.
Meine Firma hat entschieden, ihre Mitarbeiter nicht ins Homeoffice zu schicken. Die Gründe hierfür sind mir nicht bekannt, sie wurden nicht kommuniziert. Meiner Ansicht nach wäre das durchaus möglich gewesen. Während alle Welt also ihr Homeoffice einrichtete, radelte ich täglich ins Büro. Dort war und ist fast alles wie immer. Besprechungen wurden in größere Konferenzräume verlegt, sodass mehr Abstand eingehalten werden konnte, und man versuchte sich im Treppenhaus aus dem Weg zu gehen. Offizielle Maßnahmen oder gar ein Hygienekonzept gab es allerdings nicht. Das hat mich irritiert. Wäre das nicht notwendig, wenn man seine Mitarbeiter nicht ins Homeoffice schickt? Braucht man nicht Schutzmaßnahmen zur Sicherheit der Beschäftigten, um ein mögliches Infektionsrisiko zu senken?

Meine Kollegen waren entspannter. Ist doch gut, wenn man den normalen Rhythmus beibehält und morgens das Haus verlässt. Außerdem sind die Büros sehr geräumig. Die Kommunikation ist einfacher, man sieht sich täglich, Kleinigkeiten können schnell abgesprochen werden. Und man wird von Rückenschmerzen verschont, weil man zu Hause keinen Schreibtischstuhl mehr hätte. Alles Vorteile, ja, aber trotzdem bin ich verwundert und auch verärgert, dass sich die Geschäftsführung nicht in irgendeiner Weise zur Situation geäußert hat. Oder begründet, warum sie Homeoffice nicht für notwendig hält. Und dann für die Räume vor Ort ein Hygienekonzept einführt.

Neben dem Unverständnis über die nicht vorhandenen Schutzmaßnahmen bin ich auch verärgert über mich selbst. Darüber, nicht nachgefragt zu haben. Hätte man eine Aussage der Geschäftsführung nicht anfordern können oder sogar sollen? Ist das verantwortungsbewusster Umgang mit Mitarbeitern?

Ich bin ein Typ, der Konfrontation eher scheut und die Klappe hält, auch wenn man sie aufmachen sollte. Das weiß ich und trotzdem komme ich nicht aus mir raus. Und gleichzeitig hoffe und glaube ich, dass Gott diese Situation kennt und mich mutig macht, Dinge an- und auszusprechen. Deshalb will ich offen sein und mich von ihm gebrauchen lassen. Und vielleicht ist das nächste Mitarbeitergespräch ein Schritt in diese Richtung.

Die Person ist der Redaktion bekannt
Titelfoto: Unsplash (Tommaso Pecchioli)

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