Rangezoomt

Als Friseurmeisterin und Hoffnungs-botschafterin in Südostasien

Ein Text von Redaktion

10. Juni 2023

Melanie ist Friseurin und wagte im Herbst den Sprung ins Unbekannte. Sie kündigte ihren Job um einen Monat in Thailand Friseurinnen auszubilden und sich darüber hinaus in einem Werk für Frauen in Zwangsprostitution einzusetzen. Was sie dort erlebt hat und welchem Vollzeitjob sie sich nach ihrer Rückkehr nach Hamburg widmen wird, lest ihr in ihrem Reisebericht.

Mein Name ist Melanie und bis Oktober 2020 lebte ich im schönen Saarland, bevor ich gemeinsam mit meinem Ehemann ins schöne Hamburg gezogen bin. Ich habe mit 16 Jahren eine Ausbildung als Friseurin gemacht und anschließend meine Meisterausbildung angehängt, welche ich als Landesbeste abgeschlossen habe. Als wir nach Hamburg gezogen sind, begann ich eine neue Arbeitsstelle bei Marlies Möller in Poppenbüttel. Mein Arbeitsalltag war durchaus herausfordernd und anspruchsvoll, die Arbeitsatmosphäre unpersönlich. Ich merkte, wie der Frust über das, was ich tue, immer größer und größer wurde und ich verspürte den Drang etwas an meiner Arbeitssituation zu ändern. In mir wuchs der Wunsch eine Arbeit zu machen, die ich unmittelbarer mit meinem Glauben verbinden kann. Im Juli wagte ich dann den Sprung ins Ungewisse, reichte meine Kündigung ein und vertraute Gott meinen damit verbunden Wunsch an, nach Thailand zu reisen um dort für einen Monat für eine christliche Organisation zu arbeiten.

Im November 2022 bin ich dann in die Küstenstadt Pattaya gereist. Für einen Monat habe mich über mein Erspartes finanziert und ohne Vergütung meine Zeit und Kraft der Organisation TAMAR CENTER geschenkt. Pattaya gilt als “Welthauptstadt des Sextourismus” und tausende, übertausende von Frauen, oft aus den umliegenden Bauernfamilien arbeiten dort in den “Bars” als Prostituierte. Offiziell ist Prostitution in Thailand illegal, doch versteckt unter dem Titel “Massagestudio”, “Bar” wird hier Prostitution im ganz großen Stil betrieben. Männer, Frauen, Paare aus aller Welt reisen nach Pattaya, um dort ihre sexuellen Gelüste frei und offen auszuleben. Die Frauen sind zwischen 18 und 30 Jahre alt, offiziell dürfen sie allerdings erst ab dem Alter von 21 Jahren in den Bars arbeiten, die meisten kamen mir allerdings wesentlich jünger vor und ich gehe davon aus, dass viele bereits im Alter von 16 Jahren in die Bars kommen. Die Mädchen leben und arbeiten rund um die Uhr in den Lokalen, sie teilen sich ihr Zimmer (sofern sie die Nacht nicht bei einem Kunden verbringen) mit 14 anderen Mädchen, sie haben 1 Tag im Monat frei und arbeiten ansonsten jeden Tag ab 13 Uhr bis spät in die Nacht. Die Kunden sind bunt gemischt, alle Altersgruppen sind vertreten, doch viele ältere Herren, die sich deutlich jüngere Frauen kaufen. Die Frauen dort werden behandelt wie eine Ware, sie werden in Klassen eingestuft und je nach Aussehen und Beliebtheit kosten sie unterschiedlich viel. Man kann eine Frau zum Beispiel für 70€ (schon ein höherer Preis) aus der Bar auskaufen und dann verhandelt man persönlich mit ihr noch einmal über die Kosten für die Dienstleistung. Für die Frauen ist das ihr ganz “normales Geschäft” und ihr Arbeitsalltag und da es mehr Frauen gibt als Kunden, buhlen die Frauen sogar um die Männer und es entsteht zum Teil ein harter Konkurrenzkampf.

Tamar Center ist eine christliche Organisation vor Ort, die gezielt in diese Bars geht, um ehrliche und authentische Beziehungen zu den Mädchen und Frauen aufzubauen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen Perspektiven für einen Ausstieg und möchten ihnen das Evangelium als frohe Botschaft nahebringen. Außerdem bieten sie für die Frauen täglichen kostenlosen Englischunterricht und jeden Freitag einen Gottesdienst an. Die Arbeit finanziert sich durch den Verkauf von Handarbeiten, eine Bäckerei, ein Restaurant, einen Friseursalon, ein Gästehaus sowie durch Spenden.

Meine Aufgabe war es die Frauen, die im Friseursalon arbeiten (beides Ex-Bar-Girls) zu schulen und zu unterstützen, sowie Kontakte zu den Frauen zu knüpfen, ihnen auf Augenhöhe und voller Wertschätzung zu begegnen und sie einzuladen in die Englischklasse, zum Friseursalon und zum Gottesdienst. In Thailand ist es verboten, als Ausländerin selbst Haare zu machen und somit waren mir die Hände gebunden und ich konnte lediglich Schulen, Zeigen und Tipps geben. Rausgerissen aus meinem sonst strukturierten, geplanten und vorgefertigtem Arbeitsalltag, war die Zeit in Pattaya eine völlig neue Erfahrung für mich. Jeden Morgen durfte ich aufwachen und Gott sagen: Hier bin ich, gebrauche mich.

Die Frauen im Tamar Center zu sehen und zu sehen, wie Gott ihr Leben verändert hat, dass dieser Ort ein Ort des Lichts und der Hoffnung ist in einer Umgebung voller Ausbeutung, hat in mir bewirkt, groß zu denken und mehr vom Leben mit Gott zu erwarten. Aus einem glamourösen, Highclass-Salon in Arbeitsumfeld voller Dreck zu kommen, unangenehmer Gerüche, Leid und Elend, Herzschmerz, Vergewaltigung, Ausbeutung und Erniedrigung war schon ein richtiger Kulturschock und hat mir die Brutalität und Hässlichkeit dieser Welt gezeigt. Außerdem hat Gott mir gezeigt, dass er durch mich mutiger ist, als ich es jemals von mir gedacht hätte und ich merkte schnell, dass mein Blick erstmal nur den Bargirls galt, doch Gott gebrauchte mich ebenso für einige Gespräche mit Männern. Gott gebraucht mich so, wie er mich gebrauchen will und seine Wege waren nicht immer meine Wege, das hat meinen Arbeitsalltag extrem spannend, aufregend und erfrischend gemacht. Ich habe ganz deutlich gespürt, dass Gott mein Herz füllte mit seiner Liebe und ich so andern Menschen freundlich, liebevoll und authentisch begegnen durfte. Es war schön zu sehen, wie Gott Samen aussät, wie er Gebet erhört und wie viel Kraft Gebet hat. Ich habe erlebt, dass ich frei sein durfte, Gott Raum in meinem Alltag zu geben und gar nichts dafür tun musste. Auch durch Gottesdienste habe ich erlebt, dass es sich lohnt den Lebensweg mit Gott zu gestalten und sich vom Heiligen Geist führen zu lassen. Auf Gott zu vertrauen und zu warten, ist eine unglaubliche Ermutigung für mich, bis heute.

Ich habe vorher nicht erkannt wie Gott alle Menschen als wertvoll ansieht, wenn wir uns ihm zuwenden, doch die Frauen in Tamar zeigten mir, dass wir für Gott so wertvoll funkeln wie ein Diamant und sogar noch schöner sind in seinen Augen. Als ich sie angesehen habe, war ich von so tiefer Liebe erfüllt und habe sie als so schön empfunden, dass ich mir dachte: Und genauso sieht Gott auch auf dich!

An meinem Abflugtag zurück nach Deutschland hatte ich sehr starke Probleme mit Übelkeit, die auch zu Hause angekommen nicht verschwanden. Zudem blieb meine Periode aus und ich durfte sehr überrascht feststellen, dass ich schwanger nach Thailand geflogen und auch zurückgekommen bin. Da ich im April 2020 eine Fehlgeburt erlitt und mein damaliger Arbeitgeber wenig rücksichtsvoll mit meiner Schwangerschaft umging habe ich erst einmal beschlossen zu Hause zu bleiben. Zurzeit bin ich also erst einmal Hausfrau und werdende Mutter und genieße die Zeit, die Gott mir schenkt.

Fotos: privat

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