Zu zweit in die Selbstständigkeit
31. Oktober 2024
Lydia und Timon wagen einen mutigen Schritt und sind gerade dabei ihre Selbstständigkeit aufzubauen. Welche Rolle Hamburg und die Alpen dabei spielen, erzählen sie im Interview.
Ihr seid beide vor ein paar Jahren für euren Berufseinstieg nach Hamburg gezogen. In welchem Bereich arbeitet ihr und wie habt ihr eure ersten Berufsjahre erlebt? Welche Rolle spielt euer Glaube in eurem Beruf?
Richtig, wir sind im Producing (Projektleitung und Projektmanagement) in der Filmbranche tätig. Lydia (27) hat kurz nach Timon (26) in der Produktionsfirma angefangen, in der wir uns kennengelernt haben. Zwei Wochen nach unserem Kennenlernen hatten wir beide herausgefunden, dass wir nicht nur unseren Glauben, sondern unabhängig davon auch viele Interessen teilen. Ziemlich genau zwei Jahre später haben wir geheiratet – zu diesem Zeitpunkt waren wir immer noch beim gleichen Arbeitgeber angestellt.
Die ersten Berufsjahre hatten wir zum Ziel in möglichst kurzer Zeit einen möglichst großen Erfahrungsschatz und ein Netzwerk aufzubauen, um eines Tages freiberuflich und mit mehr Freiheiten in der Branche zu arbeiten. Wir versuchen unseren Glauben im Berufsalltag mit Feingefühl auszuleben. Durch Gott erleben wir einen Sinn, ein Ziel und eine Orientierung. Das gibt uns Halt – in der Schnelllebigkeit der Filmbranche und in herausfordernden Situationen. Wenn sich Kolleginnen und Kollegen fragen, warum wir in manchen Situationen anders ticken, kommt manchmal unser Glaube ins Gespräch.
Vor kurzem habt ihr drei Monate in Österreich verbracht, bei einem theologischen Seminar und auf Reisen. Wie kam es dazu, was habt ihr erlebt und was nehmt ihr für euren Alltag in Hamburg mit?
Schon immer gab es die Idee eines Tages in die Freiberuflichkeit zu starten. Durch die Schnelllebigkeit und den Sog unserer Branche hatten wir uns vorgenommen in den nächsten vier Jahren nicht mit einer Beförderung in der Festanstellung weiterzumachen, um uns zu schützen. „What would Jesus do?“ Entschleunigen oder Beschleunigen? Wir wussten, dass wir viele Ideen und einige Möglichkeiten haben, daher haben wir gerne von unseren Plänen einer Freiberuflichkeit erzählt.
Es hätte sich dann jedoch tatsächlich früher als gewollt unsere Position und Verantwortung in der Firma ändern können – damit einhergehend gute finanzielle Vorteile, Ansehen und ein stolzes Schulterklopfen. Plötzlich waren wir uns unserer eigenen Ideen nicht mehr sicher. Als wir realisierten, wie schwer es uns fällt zu gehen, nein zu sagen zu mehr Geld und Ansehen, wussten wir, dass wir dringend loslassen mussten.
Wir wollten Gott praktischer in unsere Pläne einbeziehen. Raum und Zeit schaffen für sein Wirken. Dafür wollten wir erstmal loslassen – nicht orientierungslos, sondern zielgerichtet, weshalb wir zwei Monate am Tauernhof, einem theologischen Seminar in Österreich Zeit verbracht haben und zusätzlich einen Monat für unseren geliebten Bergsport durch die Alpen gereist sind.
Wir wollten mit einer Kündigung jedoch nicht vor etwas wegrennen, wir wollten zu etwas hin. Wir möchten es schaffen nicht für unsere Identität zu arbeiten, sondern aus unserer Identität heraus. Daran arbeiten wir. 🙂
Zurück in Hamburg macht ihr euch nun gemeinsam selbstständig. Wie funktioniert das für euch als Paar und wie gelingt euch ein guter und bewusster Ausgleich zu eurer Arbeit?
Wir sind sehr dankbar, dass wir als Ehepaar viele Dinge gemeinsam erleben dürfen – sogar unsere Arbeit gemeinsam ausleben zu können ist ein Privileg. Wir glauben, dass Wachstum dort geschieht, wo man sich aufreibt: Und Reibung geschieht an Ecken und unter Bedingungen, die man noch nicht kennt. Deshalb begeben wir uns gerne gemeinsam in unterschiedliche Bedingungen und gemeinsam zu arbeiten ist eine solche Möglichkeit. Aktuell befinden wir uns zum Beispiel für 5 Wochen auf einem komplexen Filmprojekt in Südkorea, welches wir gemeinsam produzieren und leiten.
Uns gelingt ein bewusster Ausgleich immer dann, wenn wir uns sehr klar darüber sind, was dem Gegenüber Energie gibt, was sie nimmt und was unsere Fähigkeiten und Unterschiede sind. Wir führen darüber seit längerer Zeit eine konkrete Liste – immer dann, wenn die Welt Kopf steht, lesen wir uns diese Liste durch und verstehen, dass alle Probleme einen sehr logischen Ursprung haben.
Zum Abschluss: Was sind Dinge, die euch bei eurer Arbeit herausfordern und euch begeistern?
Was uns herausfordert ist zu entscheiden und zu balancieren welche Idee und welches Projekt als nächstes anstehen darf. Die Balance zwischen Commitment und Flexibilität. Zwischen allen Möglichkeiten immer wieder weiter zu Entschleunigen. Ja zu etwas zu sagen, bedeutet sich gegen andere Dinge zu entscheiden.
Es begeistert uns, dass wir unsere Fähigkeiten so vielfältig einbringen können. Aktuell arbeiten wir daran unsere Key-Skills auch in anderen Branchen zu investieren und sind dankbar, dass Gott schon manch spannende Türe dafür geöffnet hat. Wir lieben außerdem die Begegnung mit Menschen und dass wir darin Jesu Liebe in dieser Welt ausleben dürfen. Heute und hier.
Uns begeistert es zu Träumen. Groß zu Träumen. Weil wir wissen, dass Gott noch größer denkt als wir und er unsere sehr kleinen Kapazitäten für etwas viel Größeres nutzen kann.
Fotos: privat