Kurz vor knapp
26. Januar 2024
Letzte Woche hatte ich eine kleine Krise, eine Kurz-vor-knapp-Krise. Ich erledige ständig Dinge kurz vor knapp. Das nervt. Egal ob im Job, bei der Planung von Unternehmungen oder im Ehrenamt. Selbst Gebete mit wirklich wichtigen Anliegen schicke ich erst kurz vor knapp nach oben. Oft ist kurz vor knapp total ausreichend. Der Koffer muss nicht schon zwei Tage vor Abreise fertig gepackt sein. Aber es gibt Situationen da ist kurz vor knapp einen Tick zu spät. Am Ende lässt sich alles irgendwie regeln und so viel besser organisiert sind andere nun auch nicht.
Wieso hat es mich also so bewegt und bedrückt, dass ich mich in kurz vor knapp Situationen nicht nur gehetzt, sondern sogar schlecht fühle? Wenn ich darüber nachdenke entdecke ich zwei Gründe. Der erste ist mein Anspruch an mich selbst. Ich will strukturiert und organisiert sein. Ich will einplanen, dass etwas dazwischenkommen kann und dass Absprachen oft mehr Zeit brauchen als ich im Vorhinein denke. Der zweite Grund ist, wie ich meine vor anderen dazustehen oder bei anderen anzukommen. Den Anspruch, Dinge nicht erst kurz vor knapp zu erledigen stelle aber ich an mich, nicht die anderen. Ich vermute, dass meine Perspektive auf mich selbst viel kritischer ist als der Blick von anderen auf die Situation. Anders formuliert: Ich genüge mir selbst nicht und glaube, dass ich auch anderen nicht genügen könnte. Keine gute Perspektive.
Eigentlich will ich mich selbst okay finden, wenn nicht sogar gernhaben (zumindest schlägt die Bibel vor, andere zu lieben wie sich selbst und das finde ich grundsätzlich keine schlechte Idee). Und ich will eine vermeintliche Schwäche nicht zwingend als solche abstempeln. Vielleicht setzt der Kurz-vor-knapp-Zeitdruck besondere Kräfte frei, die ich auf eine gute Weise nutzen kann. Vielleicht darf ich lernen gnädiger mit mir selbst zu sein. Vielleicht agiert Gott nicht trotz meiner Kurz-vor-knapp-Planung und Gespräche mit ihm, sondern gerade deswegen mit einem guten und durchdachten Zeitplan für mich und andere. Das will ich ihm durchaus zutrauen, ohne ihn auszunutzen.
Was ich also einübe: bei Kurz-vor-knapp-Panik einen (oder sogar Gottes) gnädigen Blick auf mich und die Situation einnehmen und liebevoller mit mir selbst werden.
(Foto: unsplash / K. Howard)