Corona-Logbuch

Unverhoffter Job durch Corona-Krise

Ein Text von Redaktion

19. Oktober 2020

Die Corona-Krise verändert nicht nur das Arbeitsleben an sich sondern erschwert die Hürde, überhaupt einen neuen Job zu finden. Froh kann sein, wer einen sicheren oder gar systemrelevanten Job hat. Doch was, wenn man schon von vornherein arbeitslos war? Wie ich trotz Angebotsflaute eine plötzliche Arbeitsgelegenheit bekam:

Meinen alten Job hatte ich zu Ende Januar gekündigt, ein lückenlos daran anschließendes Angebot kurzfristig abgelehnt und Mitte Februar dann eine Absage für meine Erstwahl kassiert. Vorerst kein Drama, wenn man eine kleine Verschnaufpause zwischen zwei Jobs gebrauchen kann und gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Doch wir wissen, was dann geschah…

Als die Pandemie in Deutschland einmarschierte war ich gerade in der zweiten intensiven Bewerbungsrunde und rechnete damit, noch vor Ostern wieder in Arbeit zu sein. Pustekuchen – mit Corona schienen quasi auch die neuveröffentlichten Stellenanzeigen in den Lockdown zu gehen. Eine ganze Weile wurden absolut keine neuen Jobs online gestellt und statt weiteren Einladungen zu Bewerbungsgesprächen trudelten die ersten „coronabedingten“ Absagen ein. Was nun?!
Kurzer Hand beschloss ich, meine Arbeitskraft in anderen Bereichen anzubieten und bewarb mich bei Lidl, Netto, Aldi etc. und bot mehreren Spargelhöfen meine Hilfe an. Doch auch hier tat sich nichts. Bis ich auf einmal Ende April einen Anruf vom HamburgService bekam, die mich kurzfristig kennenlernen wollten.
Ich hatte schon fast vergessen, dass ich mich mehrere Wochen zuvor auch bei der Telefonservice-Hotline gemeldet hatte. Keine 10 Tage später wurde ich geschult, um im Namen der Investitions- und Förderbank Hamburg den Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmern dieser Stadt ihre Fragen zum Antragsverfahren der Corona-Soforthilfe beantworten zu können. Schnell stellte sich heraus, dass es den Anrufern neben einer Auskunft viel mehr darum ging, angehört und verstanden zu werden. Die meisten befanden sich in einer nie dagewesenen Unsicherheit und konnten das Gefühl „in der Luft zu hängen“ nicht mehr ertragen. Vom verzweifelten Restaurantbetreiber, der seine Mitarbeiter nicht bezahlen konnte, über die Kioskbesitzerin, den Tätowierer bis hin zur Grafikdesignerin hatte ich die ganze Stadt am Telefon und versuchte, trotz vorherrschender Sorge Mut zu machen.

Insgesamt war es eine super spannende Erfahrung für mich, zum einen so konkret mit den Selbstständigen dieser Stadt zu tun zu haben und gleichzeitig die Arbeitsweise der Stadt Hamburg besser kennenzulernen. Dabei ist mir erneut bewusst geworden, wie dankbar wir für unser demokratisches Regierungssystem sein können. Leider wird so oft über Behörden geschimpft und die Bürokratie verteufelt, doch viel zu selten wird gesehen, wie viele Menschen sich Tag für Tag um die verschiedensten Anliegen der Bürger dieser Stadt kümmern und dabei nicht nur stumpf „Dienst nach Vorschrift“ machen, sondern den Menschen mit Verständnis und Ausdauer begegnen.
Einige Kollegen, die ich beim HamburgService kennenlernen durfte, machen den Job schon seit Jahren und sind immer noch motiviert dabei, obwohl sie des Öfteren mit übelsten Beleidigungen und dreisten Umgangsweisen konfrontiert werden. Darüber hinaus war und ist es in Anbetracht der sich stets wandelnden Corona-Regelungen kein Leichtes, Repräsentant Hamburgs zu sein und als Sprachrohr zu dienen. Ich ziehe meinen Hut vor all denen, die das täglich und mit großem Engagement tun.

Letztlich bin ich froh, dass jobtechnisch nicht alles so lief, wie ich mir das Anfang des Jahres zurecht gelegt hatte, denn ohne Corona hätte ich diesen Einblick hinter die Kulissen nie bekommen. Und auch die etwas verlängerte Arbeitspause zwischendurch hätte ich mir ohne Corona nicht gegönnt – doch sie war ausschlaggebend für meinen weiteren beruflichen Werdegang. Ich nehme mit: Manchmal wird aus einem Strich durch die Rechnung doch noch ein schönes Kunstwerk.

Die Person ist der Redaktion bekannt.

Titelfoto: Unsplash (@Eckhard Hoehmann)

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